Hilferuf aus den Labors: «Langsam schwinden die Kräfte»
An einem Freitag im März zu Beginn der ersten Corona-Welle zeigte sich die Schweizer Bevölkerung dankbar. Sie stand im Freien und klatschte für alle Personen im Gesundheitswesen, die sich in der Corona-Krise an der Front einsetzten.
Überstunden, Nachtschichten, ungenügendes Material und Kontakt mit dem Virus: Das waren die Faktoren, mit denen Pflegepersonal, Ärzte und weitere Personen des Gesundheitswesens konfrontiert waren.
Wie ist ihre Arbeitssituation während der zweiten Welle?
Klatschen reicht nicht: Protestwoche für Gesundheitspersonal
Aktuell versucht sich das «Bündnis für Gesundheit» Gehör zu verschaffen. Es besteht aus dem Verband des Personals öffentlicher Dienste, der Gewerkschaft Syna und dem Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer. Weitere Verbände aus dem Gesundheitswesen haben sich angeschlossen.
«Klatschen reicht nicht», begründet das Bündnis Gesundheit seine Protestwoche. «Die Corona-Krise hat gezeigt, was das Gesundheitspersonal leisten muss – und was schiefläuft. Doch die Politik reagiert nicht». Das müsse sich ändern.
Konkret fordert das Bündnis Gesundheit bessere Arbeitsbedingungen, mehr Mitsprache und als «Corona-Prämie» einen zusätzlichen Monatslohn. Vom 26. bis am 31. Oktober finden schweizweit verschiedene Protestaktionen statt.
Am Kantonsspital Baden hält man sich bedeckt
Wie sieht die Situation für das Gesundheitspersonal am Kantonspital Baden aus? Die Medienstelle gab sich auf Anfrage von Nau.ch bedeckt.
«Die KSB-Mitarbeitenden leisten seit Wochen und Monaten hervorragende Arbeit», so Omar Gisler, Leiter Marketing und Kommunikation am KSB. «Das Engagement kommt auch bei den Patientenrückmeldungen zum Ausdruck.» Diese seien sehr gut, wie eine Umfrage zeige.
Steht die Direktion des KSB mit den Angestellten wegen der Arbeitsbedingungen während der zweiten Welle im Dialog?
«Das KSB pflegt einen intensiven Dialog zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitenden», so Gisler in einer schriftlichen Stellungnahme. Dazu gehöre ein Social-Intranet, wo die Mitarbeitenden täglich vom CEO respektive den Vorgesetzten über die aktuelle Lage informiert werden. Dort habe man auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen oder Kommentare zu hinterlassen.
«Darüber hinaus sind die Mitglieder der Geschäftsleitung in allen Bereichen auch physisch sehr präsent und suchen den Austausch mit den Mitarbeitenden», so Omar Gisler.
Im KSB sei man derzeit in der Lage, mit dem bestehenden Personalbestand sämtliche Leistungen zu erbringen, heisst es weiter.
«Wir prüfen derzeit, ob wir Hilfskräfte wie Studenten rekrutieren können, die beispielsweise im Labor administrative Tätigkeiten übernehmen könnten und so die Mitarbeitenden entlasten», so Gisler. Dies habe man auch im Frühjahr schon gemacht.
Krisenstimmung im Kantonsspital Aarau: Offener Brief der Labormitarbeitenden
Dass gerade in manchen Labors der Spitäler die Situation möglicherweise prekär ist, zeigt ein offener Brief, den die Labormitarbeitenden des Kantonsspitals Aarau am letzten Freitag der «Aargauer Zeitung» zustellte.
«Politiker und Mediziner berichten in den Medien, dass wir noch alles im Griff haben», heisst es im Brief. Doch die Realität sehe anders aus: «Wir sind völlig am Limit!»
Die biomedizinischen Analytikerinnen und Analytiker (BMA), so die offizielle Berufsbezeichnung der Angestellten im Labor, standen bisher wenig im Rampenlicht. Doch gerade sie sind während der Krise speziell gefordert. Eine der zentralen Punkte im Kampf gegen die Pandemie ist das Testen.
Antoinette Monn ist die Präsidentin von labmed, dem Schweizerischen Berufsverband der BMA. «Wir bekommen aus verschiedenen Sektionen ähnliche Informationen», sagt sie zum Hilferuf des Laborpersonals am KSA.
«Die Belastung ist bei allen hoch. Eine gewisse Zeit kann man dies körperlich schaffen. Nun besteht aber die Angst, dass es noch für sehr lange Zeit so weitergeht. Langsam schwinden die Kräfte, da wir in den Labors keine Pause in den Sommermonaten hatten und uns das Fachpersonal fehlt», so Monn.
Fehlende Bekanntheit des Laborberufs
Gerade die Mitarbeitenden in den Labors sind für die Bevölkerung unsichtbar. Während Pflegepersonal und Ärzte im direkten Kontakt mit Patienten sind, arbeitet das Laborpersonal im Schichtdienst hinter den Kulissen.
Sie sind jedoch während der Krise speziell betroffen, schliesslich ist ein wichtiger Grundsatz zur Bekämpfung der Pandemie das Testen. Eine grössere Testkapazität dank Corona-Tests in Apotheken ist bislange im Aargau noch nicht möglich.
Antoinette Monn wünscht sich – genau wie das Bündnis Gesundheit – indes auch Unterstützung der Politik und Bevölkerung. Und dies nicht nur während einer Pandemie.
«Unserem Beruf fehlt es an Bekanntheit», so Antoinette Monn. «Aus einem früher unselbständigen, medizinischen Hilfsberuf wird zunehmend ein selbständiger, hochkomplexer und anforderungsreicher medizinischer Spezialberuf. Wir werden in der Öffentlichkeit so nicht wahrgenommen».
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